der öffentliche raum der stadt (11)
marius babias (kunsttheoretiker, kurator, berlin), transpublic, linz, 2006 |
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Arlt: Du kommst gerade aus wien. Was hast du dort gemacht?
Babias: Ich habe einen sponsor getroffen. Ich mache nächstes jahr ein großes projekt in bukarest, ein projekt im öffentlichen raum, weil es so etwas, wie man es im westen kennt, im osten gar nicht gab. Im osten herrschte eher die vorstellung, dass denkmäler die politisch-ideologische repräsentationsform übernehmen sollten, aber paradoxerweise haben diese die herrschende ideologie immer mitkonstruiert - wie bei uns ja auch: alles was wir draußen hinstellen, repräsentiert auch die herrschenden verhältnisse bzw. macht und über die zeit und mediale filtermechanismen konstruieren sie zugleich genau diese herrschende ideologie aktiv mit. Und um solche fragen wird es im bukarester projekt gehen.
Arlt: Sind diese denkmäler auch teil deines projekts ?
Babias: Nein, es wird kein masochistisches-postkommunistisches projekt. Es geht eher darum, den vorherrschenden raum, so wie er sich ausgestaltet, physisch wie medial wie städtebaulich zu reflektieren mittels kunstprojekten, aber auch zur seite gestellter diskursiven praxen. So arbeite ich eigentlich immer. Ohne dass sich dabei theorie und kunst gegenseitig illustrieren sollen.
Arlt: Wie läuft das konkret ab? Gibt es da paralell ein symposium dazu ?
Babias: Nein, es geht darum, ein büro für öffentliche kunst zu installieren, wie es jede stadt im westen hat - ich nehme an, in österreich gibt es wie in deutschland büros oder referate für kunst im öffentlichen raum, angeschlossen an das bau- oder kulturreferat. Ich spreche nicht von kunst am bau.
Arlt: In oberösterreich gibt es das nicht - in österreich eigentlich nur in niederösterreich. In bukarest gibt es vermutlich so etwas ja auch nicht.
Babias: Nein. Da hat bukarest ja etwas gemeinsam mit oberösterreich. Es geht mir darum, das bewußtsein für den öffentlichen raum als einen körper, einen sozialen raum zu wecken. ... wir wollen da zunächst einmal eine struktur hineinsetzen.
Arlt: Wer hat in bukarest intersse an so etwas, wer hat dich eingeladen?
Babias: Es ist das goethe institut, also import-export würde es in einer anderen branche heißen. Wir haben einen starken westpartner, das ist die allianzkulturstiftung, wir haben vorort lokale kulturpartner, das rumänische kulturinstitut soll unser partner sein, damit - dieses häßliche wort: nachhaltigkeit - gewährleistet ist und das nicht so ein space-shuttle-projekt wird, wo man kurz hingeht und ein kritisches bewußtsein erzeugt und sich dann wieder verabschiedet. Geplant ist, dass ich für ein jahr die kuratorenschaft übernehme und es danach in rumänische hände übergeht.
(....)
Arlt: Ich würde meinen, dass in den 90er jahren bis heute die politik in die kunst zurückgekehrt ist, zumindest nehmen viele künstler für sich in anspruch, politisch zu agieren mit ihrer kunst. Du siehst das ja kritisch in deinem letzten buch, wo du von einer distinktionsfalle sprichst, d. h. dass es den künstlern weniger um politisch-gesellschaftliche veränderung geht als vielmehr um produktion symbolischen mehrwerts für die eigene person.
Babias: Die kritik ist, dass sich radikalität auf den kunstmarkt beschränkt und nicht auf die lebenswelt gerichtet ist oder eine politische praxis. Generell ist meine position die, die verbindung von kunst und politik herzustellen und zu initiieren.
Arlt: Der anspruch in essen bei der kokerei zollverein war, neues leben in diese zu denkmälern mutierten industrieanlagen zu bringen.
Babias: Die größte kokerei europas wurde stillgelegt, restauriert und zum begehen und besichtigen freigegeben: industrie-disneyland - das geschah im zuge der internationalen bauausstellung emscher park. Dann haben sie bemerkt, das reicht nicht und haben kasper könig gefragt und der hat mich und florian waldvogel gefragt, ob das nichts für uns wäre. (...) Wir haben in essen rechtsradikalismus thematisiert, arbeiterInnenkultur, bestimmte realismusbegriffe. Wir haben abgeklopft, was es dort in der region an kultur- und sozialgeschichte gibt und das haben wir kombiniert mit hochkarätigen kunstinterventionen.
(...)
Arlt: Wie wurde das aufgenommen von den leuten ?
Babias: Essen ist eine stadt ohne bürgerliche traditionen, im postiven sinne eine arbeiterstadt. Nur: die bereitschaft in diesen milieus, ästhetische sprachen anzunehmen, ist sehr gering. Das verständnis von kultur ist sehr endlich und landet irgendwann bei disneyland. Dagegen habe ich nichts, wir haben auch sehr viel an vermittlungsarbeit gemacht - nur die politik hat unser projekt irgendwann nicht mehr getragen. Die menschen selber waren nicht das problem - im ersten jahr waren sie schon reserviert der sache gegenüber. (...) Anschließend hat mortier in der kokerei aufführungen gemacht und nun kann man es wieder begehen.
(... )
Babias: Wir wollten von anfang jedes jahr ein anderes modell, wie man mit dem ort umgehen kann, ausprobieren. Während es im ersten jahr um künstlerische interventionen vor ort ging, ging es im zweiten jahr darum, wissen zu produzieren und zu vermitteln. Wir haben keine ausstellung gemacht, sondern eine akademie ins leben gerufen, mit 4 fachbereichen. Workshops, seminare und ähnliche formate standen im mittelpunkt.
Arlt: Kann man sich das wie eine art ausgelagerte volkshochschule vorstellen ?
Babias: Kann man so sagen, wenn man böse sein will.
Arlt: Ist volkshochschule böse? Ich meinte: war es für die bevölkerung oder eher für ein spezifisches kunstpublikum? Um was ging es da?
Babias: Es gab vier fachbereiche: hip-hop-jugendkultur, politische ökonomie, bildende kunst und stadt. In jedem fachbereich gab es gastprofessoren mit entsprechendem lehrprogramm und studierenden. Um die studierenden haben wir vorher in zeitschriften geworben, und die, die sich interessiert hatten, haben wir gebeten, sich mit einer kurzen begründung zu bewerben. Teilnehmergebühr gab es nicht. So kamen 15-20 pro klasse zusammen. Das ging über ein semester, 3 monate lang. (...)
Wir haben fußball thematisiert im themenbereich stadt, weil fußball im ruhrgebiet eine hohe identitäre funktion hat, jeder stadtteil hat einen eigenen klub. Wir haben auch fußball übertragen, kommentiert von wiglaf droste. Der originalton wurde abgedreht und er hat mit dem saalmikro live kommentiert und zwar wenn deutschland spielte, hat er antideutsch kommentiert, spielte die türkei, antitürkisch.
Arlt: Geht man da als zuseher, wenn man fan ist, nicht heim ?
Babias: Es gab spannungsreiche, problematische situationen, weil das als spielverderbung empfunden wurde.