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der öffentliche raum der stadt (04)
 
jan tabor (architekturkritiker, wien), transpublic, linz, 2003
 


Jt: die wiener benehmen sich in der kärntnerstrasse wie die touristen. Wenn sie dann in der rotenturmstrasse und noch weiter, am schönsten platz von wien, dem schwedenplatz sind, dann sind wieder völlig normal. Das ist angenehm wenn man aus dieser geschlossenen anstalt wie die fußgängerzone in diese situation kommt, die man im mittelalter vielleicht als freyung oder freiheit bezeichnet hat. Dort ist eine normalität.

Pa: sie sind bekannt als feind der gestaltung öffentlicher räume.

Jt.: ich plädiere dafür die sachen in einem rohzustand zu lassen und das sich das irgendwie selbst entwickelt. Diese platzgestalter sind eine pest, das ist antiurban. Es endet in einem oberflächenkitsch, laternenkitsch.

Pa.: gibt es denn überhaupt einen nichtgestalteten raum ?

Jt.: der schwedenplatz ist entstanden

Pa.: naja. Es fängt ja bereits mit der verkehrsplanung an, also wo wird gefahren, wo gegangen, in welcher breite usw.. und da sagen sie, dass sollen die beamten am magistrat machen, die machen es schon richtig, das sind technokraten.

Jt.: genau - und dann entsteht soetwas wie der schwedenplatz.

Pa.: sie brechen hier also eine lanze für eine beamtenplanung, - rein auf funktion und technik.

Jt.: das sicher besser als eine planung von ehrgeizigen architekten. .... es geht alles was temporär ist. ich stelle mir vor, die plätze sind neutral und da kommt irgendwas und das verschwindet dann immer und dann kommt etwas anderes. Dann können so sachen passieren die total schön sind, wenn zb. neben dem burgtheater so ein zelt aufgestellt wird und die „literatur im märz" stattfindet. Die stadt soll soetwas ermöglichen. Aber wenn es gestaltet wird ist es mit solchen sachen vorbei. ...

Pa.: überschätzen sie nicht auch die macht der gestaltung - nach dem motto: wenn ein platz gestaltet ist haben die leute keine chance mehr. Gibt es das nicht, dass sich die leute einfach darüber hinwegsetzen ? vielleicht ist es gar nicht so wichtig ob er schön oder häßlich oder gar nicht gestaltet ist: die leute suchen sich mit ihren alltäglichen praktiken ohnehin eigenen wege und nutzungen.

Jt.: Es geht in der architektur um die zugänglichkeit - das ist das thema. Die zugänglichkeit macht die öffentlichkeit - und die gestaltung ist ein machtinstrument, in dem sie zb. zwei atlanten vor die bank stellen und dazu noch einen bodyguard - dann wissen sie, da haben sie nichts zu suchen. Ganz einfach durch die gestaltung, die gestaltung ist prohibitorisch. Und das ist anti-großstädtisch. Man muß bereiche schaffen, wo irgendwas möglich ist und man sich nicht immer irgendwie verpflichtet fühlt irgendwelche sentimentalitäten zu entwickeln. ... was ich von der stadt nicht will ist, dass sie mir irgendwelche sentimentalitäten aufdrückt, die nicht meine sind, sondern die eines stadtpolitikers oder eines gestalters.
....
Publikum: ich verstehe ihr plädoyer für die große freie fläche nicht. Auf so einer freien fläche einfach stehenzubleiben ist extrem unangenehm für mich. Was kann ich da tun ? ich kann nur durchgehen - ich kann mich dort nicht aufhalten. Es gibt keine bank, es ist nichts gestaltet.
Nicht gestaltung gibt's nicht.

Jt.: ja, aber man kann die sachen auch belassen.

Publikum: das ist dann meistens das alte, dass beläßt man - also oft sentimentalitäten
...

Pa.: sie glauben, dass architektur und gestaltung das leben schwer beeinflußt. Ich glaube dass nutzungsbestimmungen viel massiver eingreifen in das tägliche leben, als wie architektur und gestaltung. Ich glaube, dass der einfluß von architektur massiv überschätzt wird, ihren einfluß auf das verhalten in diesen räumen.

Jt.: das ist unglaublich.

Pa.: ich weiß - für architekten ist da unglaublich, weil die immer noch glauben, wenn sie irgendetwas bauen bestimmen sie das leben.

Jt.: aber das ist doch klar. Wenn die eingänge in den wohnhäusern ordentlich, elegant gestaltet sind, dann werden sie weniger zerstört. Die leute denken viel mehr ästhetisch als man glaubt.

Pa: architekten und architekturkritiker. der normale bürger schaut nicht ob schön oder nichtschön.

Jt.: durch die gestaltung können sie verschiedene ansprüche und erwartungen ausdrücken oder beeinflußen. Das erscheint mir eine ziemlich klare sache. Oder nicht ?

Pa.: für mich nicht. Das funktioniert immer weniger. Das ist ein denken aus dem letzten jahrhundert, wo man glaubt, dass vor repräsentativer architektur alle niederknien. Das war vielleicht einmal, dass man vor palästen erschaudert ist und man sich nicht hineingetraut hat, aber in der zwischenzeit ist die ehrfurcht dieser handlungsleitenden zeichen vorbei bzw. viel geringer als geglaubt wird.

Jt.: die architektur kann unheimlich viel bewirken im positiven wie im negativen sinne.

Publikum: ... durch gestaltung

Jt.: ja, architektur ist gestaltung. - kann man einen raum noch öffentlich nennen wenn er gestaltet wurde ?

Pa.: wie gesagt - für mich ist gestaltung diesbezüglich kein kriterium.

Jt.: warum nicht ?

Pa: weil sich die leute darüber hinwegsetzen, es gar nicht bemerken. Stadt bemerkt man nicht.

Jt.: im lauf der zeit wird sich auch die kärtnerstrasse normalisieren, - die gestaltung wird durch zeit und normalität ausgeschaltet. Und dann kommt der zustand wo die gestaltung tatsächlich keine rolle spielt.
der schwedenplatz wurde auch gestaltet, aber er ist ganz einfach von der menge überrollt worden. von der gestaltung ist dort nichts mehr zu spüren. Für die urbanität ist ein gutgehendes eisgeschäft wichtiger als jede gestaltung.
der michaelerplatz wäre ein schöner platz über den man nicht nachdenken müßte. Aber jetzt kommt man und stolpert über die gestaltung. Also wenn schon gestalten, dann so, dass man es nicht merkt - wie das gute design, das in das produkt eingeht. Also das man etwas entdecken kann und nicht das sich etwas aufdrängt.
Die gestaltung soll in der stadt verschwinden, wie die stadt in der stadt verschwindet. Für die stadt ist es egal, ob da ein looshaus steht und daneben ein haus vom könig - der stadt ist es völlig wurscht.

http://www.transpublic.at
http://www.stwst.at/arlt

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