ALT-URFAHR-OST Ein Stadtteil und seine Menschen in: Morawtz, Telesko: Stadterneuerung Linz/Alt-Urfahr-Ost BM für wirtschaftliche Angelegenheiten, Wohnbauforschung (F 1078), 1988 |
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2.2.2. Emotionale Bindung (Identifikation)
Wenig emotionale Bindung an Haus oder Stadtteil haben die einkommensschwächsten Bewohner. Dies ist vor allem auf den Zustand von Wohnung und Haus zurückzuführen: feuchte, dunkle Räume ohne Wasseranschluß, schlechte fenster machen identifikation unmöglich. Man steht der eigenen Wohnsituation (notgedrungen) emotionslos gegenüber, denn nur so scheint sie erträglich.
Bei den jüngeren Bewohnern hat der ganze Stadtteil, in seinem leicht desolaten Zustand ein gewisses Flair. In diesem ungeplanten, vergessenen stadtteil ist jene Freiheit lebbar, die in anderen Lbensbereichen nicht gegeben ist. Stellvertretend für dieses Flair von Alt-Urfahr-Ost mag die Beschreibung des Gartens des von vielen als heruntergekommenen Cafe Landgrafs sein:
"Des is klass, weil es so unkultiviert und ruhig is. und ziemlich grün, weil olles verwochsn is und do kane Beterl und Raserl und heckn san und so. Die haum a paar klapprige stühle und a paar klapprige Tisch."
Bei den älteren Bewohnern hängt die emotionale Bindung an den Wohnort, neben der Wohndauer auch von der Stabilität (bzw. Mobilität) der sozialen Beziehungen in der Vergangenheit und Gegenwart ab.
Einen besonderen Einschnitt stellt daher der Abriß der Kirchengasse dar:
(PA):"Hams ihna früher heimeliger gfühlt als jetzt ?"
"jo viel."
(PA): " Und ob wann is des nimmer mehr so der Fall gwesn - wos war da ausschlaggebend dafür?"
"Najo, wias die erstn Häuser weggrißn haum."
Und aus einem anderen Gespräch:
"Angaungn is wias uns die kirchengassn weggrißn haum, do is aungaungn. Do wor die Frau L., die Trafik, dann wor der B.-Bäcker do, dann wor von der G. der Schwiegervater S., die Fleischhauerei, - na, nochn Bäcker wor der F., da uhrmocha, dann wor der Fleischhauer, der G., dann worns beim B., die "Kleine Weinstubn" - des wor so a Tschecherl a weng. Bei die B-Leit wor i sehr viel. De san daun wegagstorbm, dann is des Haus, des hot ane geerbt von Steyr, a Nichte, die dürfts daun - do is schon aungaunga - die hots daun scho verkauft ans Magistrat. Des is glaub i domois schon angaunga. nau, dann wor so a schmales gassl, obi a paar Stiagn, do wor da S., a Zuckerhaundla, und daun worns beim H., der greißler, do wor a Hebamm drinnen a, nau und daun wor des Bruckmüllerhaus. Also do is schon aungaunga, wias des gassl weggrißn haum."
Deutlich wird bei diesen Schilderungen, daß nicht so sehr der Ort als solcher wichtig war, sondern die damit verbundenen sozialen Beziehungen.
Solche Brüche können nur sehr schwer - oder gar nicht verkraftet werden (vgl. Exkurs 2: Die ehemaligen Bewohner).
Heimatvertreibung ohne Ortswechsel (Rainer Zendron): eine jahrzehntelange äüßere Zerstörung führte zu einer inneren Zerstörung und Enteignung des alltäglichen Lebens. Als einziger, sichere stabile Identität - über alle Pläne und Vorhaben hinweg - vermittelnder Ort blieb die Donau. Immer wieder kamen die Bewohner auf den Fluß zu sprechen, vor allem die älteren alleinstehenden bewohner verbringen offensichtlich viele Stunden mit Schauen:
"Man kann schauen, es regt sich immer was; do haums wieda amoi a Regatta und wieda wos aunders."
(PA):" Sie meinen, auf der Donau tut sich immer was ?"
"Auf der Donaun tut sich immer was. Wann die frachter fahrn oder wann der russische Dampfer wieder rauf kommt, der 'Dnjepr' und die 'Wolga'.
(PA):"Aha, de kennens olle?"
"Jo, de kenn i olle. - Do is erst heit wieder a Schlepper weggfohrn und do fahrn auch diese großen neuen Schleppschiffe, wo daun de lastautos drauf sind, - do san jo 20, - 20 hob i amoi zählt, san do drauf."
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siehe auch unter: Forschung + Entwicklung; Vorträge