der öffentliche raum der stadt (08)
martin fritz (projektorganisator und kurator, wien) transpublic, linz, 2004 |
Mf.: eine avancierte betrachtung des öffentlichen raums müßte ihn immer in zusammenhang mit den aktuellen kommunikationstechnologien sehen und die frage welche bedeutung haben sie für den klassischen raum. die stärkere beeinträchtigung der anonymität des öffentlichen raums als die privatisierung sind ja die mobiltelefone. Die berühmte frage: „wo bist du gerade", verändert den öffentlichen raum. Das bewußtsein, dass wo immer du unterwegs bist, du elektronisch dein wohnzimmer, dein büro oder deine liebesbeziehung verlängerst. Durch die kombination mit technischen kommunikationsmedien wird das was man traditionellerweise mit öffentlichen raum verbindet: unbelästigtheit, verschwinden können, flanieren, untergehen in der masse usw. ausgehebelt.
Pa.: diese perspektive taucht ja im diskurs selten auf. Man ist auf die gefährdung durch staat und kapital fixiert und übersieht die „eigengefährdung" mittels handy.
Mf.: die menschen privatisieren sich den öffentlichen raum ja auch selber. Wie zuletzt in der u-bahn, als jemand in völliger seelenruhe seinen gabelbissen, sein himbeerjoughurt plus weckerl und aus der handtasche beförderten löffel ausgepackt hat um seine 20 minuten u-bahnfahrt mit leben zu füllen - also privates verhalten, wo man sich kurz überlegt, ob man das will, dass der öffentliche raum so private anwandlungen bekommt - ist er nicht dafür da einen gegenpol zu schaffen ?
Das ist jetzt nicht unbedingt eine gefährdung - das wäre kulturkonservativ von gefährdung zu reden. Es kann ja durch die neuen kommunikationsmedien auch eine erweiterung des aktionsraums entstehen, wie man zuletzt bei den spontanen demos gesehen hat.
Oder auch wie sich das nachtleben durch das mobiltelefon verändert hat. Kann zb. noch eine party noch schlecht anfangen und gut aufhören. Weil wenn eine party schlecht anfängt ruft jeder gleich jeden an und erzählt: uh, da ist eine schlechte party. Oder kann man noch auf jemanden stoßen, der sitzengelasen wurde, wo eine vereinbarung nicht zustande gekommen ist. also da verändern sich kommunikationsformen, nicht immer nur zum schlechten.
Publikum: in japan wird in der u-bahn durchgesagt, dass man nicht telefonieren soll, - weil das ja lästig ist, wenn man irgendwelche privaten gespräche mitverfolgen muß.
Mf.: manchmal finde ich das ja ganz nett.
Pa.: man bekommt einblicke in fremde beziehungsleben oder im cafe wenn leute ihre geschäfte per handy abwickeln. Allerdings stört es mich oft, speziell beim zugfahren habe ich leute angeschnautzt, sie mögen doch zum telefonieren aus dem abteil hinausgehen. Das trau ich mich noch - ich weiß allerdings nicht wie lange noch. Man hat das gefühl auf einen absterbenden ast zu sitzen, altmodisch zu sein.
Mf.: was zum klassischen öffenlichen raum dazugehört ist schon die möglichkeit des ungeleiteten flanierens und des unprogrammierten zusammenstoßens - und das nimmt rapide ab. Man ist nicht mehr in einer öffentlichkeit, in der in diesem moment - theoretisch - alle gleich-anonym draußen sind. Es ist ja niemand mehr draußen, weil alle mit einem ohr eh zuhause sind oder im büro.
Man muß in diesem zusammenhang darauf hinweisen, dass es phänomene sind, die technologisch ihren kulturellen entwicklungen vorpreschen. Also die technologien sind da, der kulturelle umgang damit ist noch ein wenig unsicher: darf ich, soll ich, ist es okay ?
Ich mag das auch nicht bewerten, aber es verändert das bewegen. Als gehender bemerkt man es als erster, weil autofahrer sind sowieso daran gewöhnt ihre umgebung mitzutragen in den öffentlichen raum. Fußgänger haben ein größeres bewußtsein für den öffentlichen raum.
Pa.: das gemeinsame was man ja auch dem öffentlichen raum zuschreibt, dieses gemeinsame, den anderen sehen und hören nimmt ab - auch durch handys. Handybenützer sind ja weggetreten - bei baudrillard heißt es; der handybenützer signalisiert, dass er mit den übrigen benutzern des öffentlichen raums nichts zu tun haben will, weil man selber mit der großen weiten welt vernetzt ist und mit denen die da noch so herumkrebsen von denen schottet man sich per handy ab. Es entstehen viele kleine private und mobile felder im öffentlichen raum.
Durch die neuen technologien kann man ja auch seine zeit viel genauer - effektiver - kalkulieren. Früher gabs es mehr so leerphasen, wo man nichts zu tun hatte, speziell auch wenn man von einem ort zum anderen gefahren ist. heute braucht man sich auf den öffentlichen raum nicht mehr einlassen.
Mf.: jetzt müssen wir aufpassen, dass es nicht ein altherrengesudere wird. Ich möchte schon überall wireless lans, hot-spots und so, weil das würde ja wieder kommunikation schaffen. Ich bin ja tendenziell kommunikationstechnologie-freundlich - sie ist mir nur noch nicht gemeinsam nutzbar genug. Also öffentliche gemeinsame medien- und informationsnutzung kann wieder eine qualität in den öffentlichen raum bringen.
Pa.: ja, absolut. Ich meine nur, dass gewisse verhaltensformen sich auflösen und wir noch nicht wissen wie die neuen aussehen bzw. wie sich das verhalten im öffentlicher raum entwickelt.