der öffentliche raum der stadt (07)
stella rollig (publizistin, lentos-direktorin, wien, linz) transpublic, linz, 2004 |
Pa.: kunst im öffentlichen raum hat ein problem, das sich auch darin zeigt, dass permanent neue begriffe dafür auftauchen: die kunst des öffentlichen, kunst im öffentlichen interesse, kunst im nicht-institutionalisierten bereich, public art usw.. wie sagen sie dazu ?
Sr.: „kunst im öffentlichen interesse" trifft es wohl am besten. der begriff "kunst im öffentlichen raum verursacht mir unbehagen, weil es nicht viel gibt, was man berechtigt als öffentlichen raum bezeichnen kann. es ist ein irreführender ausdruck, der fälschlich orte bezeichnet, die zwar als öffentlich gelten, aber bei näherem hinsehen genauen reglements in bezug auf zugänglichkeit und handlungsmöglichkeit unterworfen sind. die sollte man nicht in so einer verschleierung als öffentlich bezeichnen. Der begriff der „public art", der eine zeitlang sehr im schwange war, hat den aspekt umgangen, dass der öffentliche raum im deutschen auch eine rechtliche bezeichnung ist. Das hat dazu geführt, dass man gesagt hat: eine kunst des öffentlichen, eine kunst im öffentlichen interesse. kunst und öffentlichkeit (=untertitel der ok-ausstellung: open house, pa.) ist dann noch einmal allgemeiner gefasst. ... für wichtig halte ich, dass man auch den medialen raum als öffentlichen begreift - das geht von der zeitung bis zum internet.
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die frage nach dem öffentlichen raum, wenn man ihn als stadtraum begreift, interessiert mich zur zeit nicht so sehr, weil dieser raum keine starke definitionsmacht hat. Wenn sich jetzt kunstprojekte daran reiben, dann arbeiten sie sich an etwas ab, was im alltag der meisten menschen keine große bedeutung hat.
Pa.: sie meinen der städtische öffentliche raum hat im alltag der meisten menschen keine große bedeutung?
Sr.: keine große bedeutung in dem sinn, dass man sich intellektuell damit auseinandersetzen müsste. Wenn ich bedenke, wie ich persönlich den öffentlichen raum benutze, dann weiß ich zwar theoretisch vieles über überwachung und kontrolle, aber so richtig gegenwärtig, so dass ich es spüre und darüber nachdenke, ist es nicht.
Also: kunst und öffentlicher raum - bei dem thema, habe ich das gefühl, da dreht sich so ein diskursives radl, und das dreht im moment ein bißchen durch, ohne zu greifen und den karren zu bewegen.
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Man muss aber tatsächlich nach bezeichnungen fragen,weil eine bezeichnung sehr oft eine institution bildet oder markiert. Und da interessiert mich jetzt mehr der begriff „kunst" als die bezeichnung „öffentlicher raum": sobald ich etwas als kunstprojekt deklariere, ist es für mich schon wieder im geschützten raum, auch wenn es im öffentlichen raum ist. dann ist es kunst und damit - auch wenn das jeder einzelne subjektiv beurteilt - ist es „nicht so wichtig", wird etwas harmloses. Was bei irritierenden projekten auftreten kann, wenn man weiß: aha, das ist eigentlich teil des kunstfestivals, dann neigt man schon dazu zu sagen: ach so, dass sind die künstler... Daher ist es mir lieber über arbeitsweisen zu sprechen, die man interventionistisch nennen könnte, oder aktivistisch, wo etwas stattfindet, wo etwas markiert wird, oder wo man für eine bestimmte sache wirbt - für ein bürgerrecht oder ein politisches anliegen - und nicht unbedingt davon spricht, dass es kunst ist. aber es ist etwas in der öffentlichkeit.
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wenn man sich selber fragt: was möchte man, wenn man sich durch die stadt bewegt und was möchte man nicht: Ich möchte eigentlich ganz gerne in ruhe gelassen werden.
Pa.: das ist das grundbedürfnis eines jeden im normalfall, wenn er durch die stadt geht. Es ist das recht eines jeden, wenn er durch die stadt geht, dass er in ruhe gelassen wird. Dass man nicht angesprochen wird, - weil man hat ja was zu tun, man will wo hin.
Sr.: ja, entweder hat man was zu tun oder... also durch die stadt zu gehen und gerade einmal nichts zu tun zu haben, - das ist für mich die größte entspannung. Für die meisten von uns ist ja die arbeit mit viel, mehr oder weniger anstrengender, sozialer kommunikation verbunden: Man muß entscheidungen treffen, produzieren und sich darstellen. Dazu im kontrast ist das herrlichste, durch die stadt zu latschen und nichts tun und denken zu müssen - einfach zu schauen. Insofern finde ich manche projekte, die sich genau darauf stützen, sehr interessant. ich möchte sie markierungsprojekte nennen.
Mir fällt ein beispiel aus new york ein, wo die künstlergruppe REPOhistory eigene texttafeln aufgestellt hat, die sight-seeing-tafeln geähnelt haben, wie sie wichtige historische orte markieren. die gruppe hat an strassenecken bzw. gebäuden tafeln angebracht, hat orte markiert, wo bürgerrechte verletzt wurden - gleichzeitig aber mit positivem gestus, wo aus der ungerechtigkeit eine bewegung entstanden ist, die etwas verändert hat. (...)
eine alternative struktur von stadtmarkierungen - das finde ich immer noch eine sehr lohnende und interessante arbeitsweise, weil es etwas ist, was sehr viel erzählt, vieles ins bewußtsein holt, was sonst ausgeblendet ist, informationen bietet, mit denen ich viel anfangen kann - und trotzdem liegt es bei mir - ich kann mir das anschauen, und ich kann in meiner ruhe verbleiben.